Güterverkehr: Alternative Idee für den Gotthard

Französisches Konsortium will in den kombinierten Verkehr einsteigen
Ein französischer Transportsystem-Hersteller und dieStaatsbahn SNCF haben Appetit auf ein Stück des alpenquerenden Verkehrs am Gotthard. Was als Alternative zum 4-Meter-Korridor verkauft wird, könnte ein ergänzendes Angebot werden.
Paul Schneeberger

Ein Konsortium, bestehend aus der Elsässer Firma Lohr und der französischen Staatsbahn SNCF, propagiert eine Lösung für den Transport von Sattelaufliegern mit 4 Metern Eckhöhe, für die das Profil bestehender Tunnels nicht erweitert werden müsste. Bekanntlich ist der Bund daran, eine Vorlage für die Anpassung der Zulaufstrecken zum Gotthard- und Ceneri-Basistunnel auszuarbeiten, die künftig einen Transport dieser immer stärker verbreiteten Transportgefässe auf herkömmlichen Transportwagen nicht nur an Lötschberg und Simplon, sondern auch am Gotthard gestatten. Die Basistunnel sind bereits dafür ausgelegt.

Bereits ab 2015 operativ?
Es wird davon ausgegangen, dass für einen durchgehenden 4-Meter-Korridor am Gotthard basierend auf heutigen Wagen um 800 Millionen Franken aufgewendet werden müssen, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Die Franzosen propagieren nun ein Modell, dass sich mit jenem vergleichen lässt, für das Citroën-Automobile stehen, die einen mit ausgeklügelten Federungen auch über holprige Fahrbahnen schweben lassen: Ihre Wagen, die sich vor allem horizontal beladen lassen, verfügen über kürzere Abstände zwischen den Laufwerken. Das lässt eine gegenüber herkömmlichen Wagen weitere Absenkung des Bodens zu, so dass sich die fehlenden rund 10 Zentimeter unten «unterbringen» lassen und nicht oben «abzuspitzen» sind.

Ab 2015 könnten die Franzosen, Zulassungen in der Schweiz vorausgesetzt, nach ihren Angaben den Betrieb mit 6 Zügen pro Tag und Richtung ab Süddeutschland bzw. dem Ruhrgebiet und einem Terminal südlich von Chiasso aufnehmen. Dadurch, so rechnen sie vor, liessen sich 100 000 Sendungen pro Jahr durch die Schweiz schleusen. Sie setzen dafür gesetzlich vorgesehene Beteiligungen der Eidgenossenschaft an Investitionen in Terminals sowie Betriebsbeiträge voraus. Diese Aufwendungen, so beteuern sie, betrügen einen Bruchteil der Aufwendungen für die vom Bund vorgesehenen Ausbauten, um die Gotthardachse für herkömmliche Taschen-Wagen 4-Meter-tauglich zu machen. Beim Bundesamt für Verkehr (BAV) hat man Kenntnis von den Plänen; Ansuchen um Fahrzeugzulassungen und Subventionen sind aber noch nicht eingegangen. Interesse an einem Einsatz seiner Fahrzeuge in der Schweiz hat auch der Hersteller von Cargo-Beamer signalisiert, eines ähnlichen Patents aus Deutschland. Das BAV versteht die Idee der Franzosen nicht als Alternative zum geplanten Ausbau, sondern allenfalls als ergänzendes Angebot, das es ermöglichen könnte, schon vor seinem Abschluss Sattelauflieger mit 4 Metern Eckhöhe über den Gotthard zu transportieren.

Plus 100 000 Sendungen
Voraussetzung für die Mitfinanzierung von Terminals durch die Eidgenossenschaft seien die technische Tauglichkeit der heute erst als Prototypen existierenden Fahrzeuge, die für den Verkehr durch die Schweiz vorgesehen sind, und der Nachweis einer nachhaltigen Markt-Akzeptanz des geplanten Angebots, hält das BAV fest. Mit den Franzosen träte ein weiterer Konkurrent für die schweizerische Hupac auf den Plan, die heute das Gros der jährlich rund 700 000 Sendungen des unbegleiteten kombinierten Verkehrs durch die Schweizer Alpen schleust.

Gelänge es Lohr und der SNCF, die bereits solche Verkehre mit ähnlichen Wagen in Frankreich abwickeln, 100 000 zusätzliche Sendungen auf die Schiene zu holen, liesse sich das in den Berechnungen für die – bis 2018 bewilligten und schrittweise sinkenden – Betriebsbeiträge vorgesehene Plansoll erreichen. 2011 wurden 100 000 Sendungen weniger als budgetiert transportiert, wodurch die pro Sendung gewährten Beiträge um 15 Franken (im Schnitt um 8 Prozent) höher ausfielen als geplant. Indessen wäre zu überlegen, allfällige «überschüssige» Subventionsmittel künftig in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren.

 

Bericht aus der NZZ vom 24.05.12

http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/alternative-idee-fuer-den-gotthard_1.17032076.html

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