Die erste elektrische Fahrt, gleichzeitig die erste ETCS L2 Fahrt im Gotthard Basis Tunnel

Am Vorabend sind Bertold, Thomas und ich nach Biasca gereist. Dem RBC mussten noch neue Krypto-Schlüssel geladen werden, damit sich die Lok auch mit dem RBC verbinden kann. Vorgängig hatten wir an zwei Tagen versucht eine Lok aus Zürich mit dem RBC vom Gotthard zu verbinden. Am ersten Tag kam keine Verbindung zustande, am zweiten Tag erst am Nachmittag, nachdem die Schlüssel erneut eingespielt wurden.

Wir wussten also, dass die Verbindung “Lok in Zürich – RBC Gotthard” funktionieren würde. Einige Unsicherheiten gab es aber immer noch. Wir würden eine andere Lok verwenden und im Gotthard wird eine andere Funkzelle verwendet als in Zürich.

Frühmorgens sind wir aufgestanden – auf der Fahrt zum Briefing haben wir noch Sandwiches gekauft. Seit 2007 hatte ich keine Feldtests mehr geleitet und war darum etwas nervös. Wir waren früh am Briefing, so konnte ich das gesammte Programm nochmals kurz durchgehen. Zuerst musste die Elektro-Lok gemäss einer Handlungsanweisung per Diesel in den Tunnel geführt werden. Dies weil ausserhalb keine Fahrleitung vorhanden ist. Danach sind ein paar Orientierungsfahrten vorgesehen, damit sich alle mit der Teststrecke Faido-Bodio-West vertraut machen können. Dann gibt es Tests bei denen alle Datenpunkte angefahren werden, dies sind Balisen zur Eichung der Odometrie und Signale(Merktafeln). Diese Prüfung wird “Übereinstimmungsprüfung” genannt, dabei stellt sich heraus, ob Plan und Bauwerk übereinstimmen.

Das Briefing wird von Giuseppe geführt, er ist Fahrdienstleiter aus Bellinzona und eigentlich italienisch Sprachig. Nach der Anwesenheitskontrolle übergibt er mir das Wort. Ich solle das Programm detailliert erklären. Etwas erstaunt gehe ich zuerst auf die Handlungsanweisung ein, es ist ja das erste Mal, da diese angewandt wird. Danach auf die Übereinstimmungsprüfung. Dann werden die Rollen durchgesprochen. Giuseppe ist der Versuchsleiter, der Oberlokführer ist der operative Probeleiter und ich bin der technische Versuchsleiter. Ausserdem wird bekanntgegeben welche Rolle mit wem sprechen darf und wer mit wem nicht. Damit werde ich wohl etwas Mühe haben…

Nach Abschluss des Briefings gehen wir zum Zug, Giuseppe und die Kollegen gehen ins Stellwerk. Der kleine Zug bestehend aus Lok und Diesellok wird fahrbereit gemacht. Bei der Leitstelle verlangt der Lokführer die Weicheneinstellung, sodass wir zum Portal des Tunnels fahren können. Die Stimmung auf der Lok ist freundschaftlich, aber etwas angespannt, denn niemand weiss, ob die Versuche funktionieren werden.

Gemäss Handlungsanweisung werden wir im Abschnitt 7735 abgestellt und abgekoppelt. Die Diesellok fährt zurück und wir fahren den Stromabnehmer hoch. Zuvor hat noch keine Elektro-Lok hier Strom bezogen, und tatsächlich, das Voltmeter zeigt Spannung. Wir können also Fahren. Giuseppe gibt seine Zustimmung und wir bewegen uns langsam, aber höchst erfreut in den Abschnitt 7733. Dann verlange ich, der technische Versuchsleiter, beim operativen Probeleiter, dass vom Versuchsleiter Notzugfahrstrassen eingestellt werden. Bei diesen Notzugfahrstrassen darf nur mit “Fahrt auf Sicht” gefahren werden – genau das wollen wir für die Orientierungsfahrt.

Im Abschnitt 7733 schalten wir das ETCS ein. Es wird Level 0 gemeldet, wir wechseln manuell nach Level 2. Das Fahrzeug erhält eine Schnellbremsung/Trip – im Stillstand. Erwartet hätten wird, dass eine Verbindung zum RBC aufgebaut wird, dies passiert jedoch nicht. Wir setzen die Schnellbremsung zurück – leicht erstaunt prüfen wir die Möglichkeiten das Gotthard RBC anzuwählen. Die Menüs sind alle grau, wir können nichts bedienen. Dann schlage ich vor, die Lok nochmals neu zu starten. Der Hauptlufthahn wird geschlossen, damit erfolgt ein Komplet-Reset. Als der Zug wieder Aufstartet, verbindet er sich direkt mit dem RBC. Nach 10 Sekunden bricht die Verbindung aber wieder ab. Ich habe da so eine Vorahnung. Vermutlich hat sich die Lok zum zuletzt angewählten RBC verbunden – und das kann eigentlich nur das NBS RBC in Olten sein. Wir sind etwas enttäuscht, lassen uns aber nicht entmutigen.

Wir prüfen die Telefonnummer des RBC, und siehe da, es ist tatsächlich die Telefonnummer vom RBC in Olten eingetragen. Wir ändern auf die Gotthard-Nummer. Der Zug verbindet sich erneut, die Verbindung bleibt bestehen. Das Gotthard-RBC mag uns mehr. Freude herrscht!

Nun gibt der Fahrdienstleiter seine “Zustimmung zur Fahrt” und wir fahren ab im Modus StaffResponsible. 100 Meter vor uns liegen die ersten Balisen. Auf den Balisen erhalten wir TAF, das bestätigen wird. Dann erteilt uns das RBC eine Fahrerlaubnis für FullSupervision! Die Freude ist riesig und das Erstaunen auch, hatten wir ja eine Notzugfahrstrasse für eine “Fahrt auf Sicht” verlangt. Nach Rückfrage im Stellwerk wird uns mitgeteilt, dass das Signal grün sein, das heisst also es ist eine normale Zugfahrstrasse eingestellt, was dann auch FullSupervision entspricht. Giuseppe und das Italienisch scheinen hier etwas mitzuspielen… Mit 40km/h fahren wir bis in den Abschnitt 7707, wechseln dort nach “Fahrt auf Sicht”, und fahren so in den letzten Abschnitt 7705 der Teststrecke ein.

Am Ziel steigen wir aus der Lok aus. Inzwischen haben alle die Jacken ausgezogen. Am Portal waren es noch windige 2°C, hier im 7705 können wir ohne Weiteres im T-Shirt herumlaufen. Freundenjuchzen und Klatschen hallen durchs Tunnel. Alle Anspannung ist verflogen, die Stimmung ist gelöst. Es werden Erinnerungsfotos geschossen von dieser denkwürdigen ersten Fahrt, bei das System praktisch auf Anhieb fehlerfrei funktioniert hat.

Die Rückfahrt machen wir mit normalen Zugfahrstrassen und einer Geschwindigkeit von 80km/h. Wie bei der Hinfahrt kontrolliere ich die Tafeln. Es ist alles richtig aufgestellt, auch die Balisen funktionieren – wir erhalten nirgends eine Schnellbremsung. Somit weiss ich, dass die nachfolgenden Tests funktionieren werden, ebenso die in den nächsten Wochen geplanten Fahrten. Dies ist sehr erleichternd, da haben sich die 4 Jahre Vorbereitung im Labor doch voll ausbezahlt.

Vor der Übereinstimmungsprüfung machen wir Pause im Querschlag 173. Der operative Probeleiter, der auch auf der Lok ist, nimmt sein Koffer von der Lok mit dorthin. Er packt Wasser, diverse Tassen, Beutelsuppe, sowie eine Nespresso-Maschine inklusive Kapselarsenal aus. Alle grinsen ab dieser Ausrüstung und genehmigen sich hocherfreut solch eine kleine Mahlzeit.

Nach der Pause wird die Übereinstimmungsprüfung durchgeführt und es werden noch weitere Datenpunkte bezüglich L0/ZUB geprüft. Dann bestellen wir auch schon die Diesellok, die uns im Abschnitt 7735 abholen kommt. Einige Fahren mit dem kleinen Zug zurück, ich nehme den am Portal bereitgestellten Bus.

Zurück beim Debriefing werden wir mit einer Flasche Champagner und Schokolade empfangen. Wir schütteln uns alle die Hände. Historisch! Gleichzeitig eine erste elektrische Fahrt und die erste ETCS L2 Fahrt zu machen – und das erst noch erfolgreich. Ich kenne kein Projekt, bei dem das so geplant wurde. Im Gegenteil, alle erste ETCS L2 Fahrten, die ich bisher kenne gingen schief. Diese Inbetriebnahme ist also sehr hoch einzustufen!

Giuseppe geht die Punkte vom Debriefing gewissenhaft durch, erste Verbesserungen werden bereits angesprochen und der Ausblick auf den nächsten Tag gemacht. Überglücklich beenden wir den erfolgreichen Tag.

First Field Tests

Last week we had the first field tests. I had to travel all the way from Zurich to Biasca in the south of Switzerland and south of the Gotthard mountain. We started with a short introduction to learn what the state of our system is. After that we checked the version of the different subsystems. Our system contains interlocking, RBC and centralized train control (CTC). The versions we found were more or less what we expected.

At this time I saw an occupation moving in the tunnel – so this must be a train! I took the opportunity an switched the lights to green to protect the trains route. The train cleared the route how it must be – again a positive result. The train was from the construction work and moved concrete.

Some other tests took the rest of the day. The other day we started with power loss tests. We switched off some conductors (one of three) and looked to the system. On one hand we looked to the messages for the operator, on the other hand we saw that the system still was running. So our concept of redundancy was good – what we knew before from lab tests, but we had to know whether the installation in the field was done correctly.

After that work we went to the operators place. From there the tunnel will be operated and also the whole italian part of Switzerland. This building is breath taking – absolute cool architecture! See below.

CEP

CEP

The real field test with running trains will start at the end of 2013 – I will be there.
In the mean time the GLAB will produce a lot of results.

Tag der offenen Baustelle, Installationsplatz Rynächt, 30.06.2012

Treffpunkt: 10:00 Installationsplatz (IP) Rynächt bei der Aussichtsplattform

Programm:

Rundgang IP Bahntechnik
Filmvorführung
Besichtigung Betonzug
Picknick (bringt jeder selbst mit) alternativ Festwirtschaft
Je nach Anstrum Tunnelfahrt (vgl. Flyer von ATG)

Durchführung “Glättli” nur bei trockener Witterung. ATG machts bei jedem Wetter.
Bei Unsericherheit Nachfrage bei mir.

Gruss Chris

Flyer ATG:
http://www.alptransit.ch/fileadmin/dateien/besuch/tag_offene_baustelle/flyer_tag_der_offenen_baustelle_2012_06_30.PDF

Güterverkehr: Alternative Idee für den Gotthard

Französisches Konsortium will in den kombinierten Verkehr einsteigen
Ein französischer Transportsystem-Hersteller und dieStaatsbahn SNCF haben Appetit auf ein Stück des alpenquerenden Verkehrs am Gotthard. Was als Alternative zum 4-Meter-Korridor verkauft wird, könnte ein ergänzendes Angebot werden.
Paul Schneeberger

Ein Konsortium, bestehend aus der Elsässer Firma Lohr und der französischen Staatsbahn SNCF, propagiert eine Lösung für den Transport von Sattelaufliegern mit 4 Metern Eckhöhe, für die das Profil bestehender Tunnels nicht erweitert werden müsste. Bekanntlich ist der Bund daran, eine Vorlage für die Anpassung der Zulaufstrecken zum Gotthard- und Ceneri-Basistunnel auszuarbeiten, die künftig einen Transport dieser immer stärker verbreiteten Transportgefässe auf herkömmlichen Transportwagen nicht nur an Lötschberg und Simplon, sondern auch am Gotthard gestatten. Die Basistunnel sind bereits dafür ausgelegt.

Bereits ab 2015 operativ?
Es wird davon ausgegangen, dass für einen durchgehenden 4-Meter-Korridor am Gotthard basierend auf heutigen Wagen um 800 Millionen Franken aufgewendet werden müssen, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Die Franzosen propagieren nun ein Modell, dass sich mit jenem vergleichen lässt, für das Citroën-Automobile stehen, die einen mit ausgeklügelten Federungen auch über holprige Fahrbahnen schweben lassen: Ihre Wagen, die sich vor allem horizontal beladen lassen, verfügen über kürzere Abstände zwischen den Laufwerken. Das lässt eine gegenüber herkömmlichen Wagen weitere Absenkung des Bodens zu, so dass sich die fehlenden rund 10 Zentimeter unten «unterbringen» lassen und nicht oben «abzuspitzen» sind.

Ab 2015 könnten die Franzosen, Zulassungen in der Schweiz vorausgesetzt, nach ihren Angaben den Betrieb mit 6 Zügen pro Tag und Richtung ab Süddeutschland bzw. dem Ruhrgebiet und einem Terminal südlich von Chiasso aufnehmen. Dadurch, so rechnen sie vor, liessen sich 100 000 Sendungen pro Jahr durch die Schweiz schleusen. Sie setzen dafür gesetzlich vorgesehene Beteiligungen der Eidgenossenschaft an Investitionen in Terminals sowie Betriebsbeiträge voraus. Diese Aufwendungen, so beteuern sie, betrügen einen Bruchteil der Aufwendungen für die vom Bund vorgesehenen Ausbauten, um die Gotthardachse für herkömmliche Taschen-Wagen 4-Meter-tauglich zu machen. Beim Bundesamt für Verkehr (BAV) hat man Kenntnis von den Plänen; Ansuchen um Fahrzeugzulassungen und Subventionen sind aber noch nicht eingegangen. Interesse an einem Einsatz seiner Fahrzeuge in der Schweiz hat auch der Hersteller von Cargo-Beamer signalisiert, eines ähnlichen Patents aus Deutschland. Das BAV versteht die Idee der Franzosen nicht als Alternative zum geplanten Ausbau, sondern allenfalls als ergänzendes Angebot, das es ermöglichen könnte, schon vor seinem Abschluss Sattelauflieger mit 4 Metern Eckhöhe über den Gotthard zu transportieren.

Plus 100 000 Sendungen
Voraussetzung für die Mitfinanzierung von Terminals durch die Eidgenossenschaft seien die technische Tauglichkeit der heute erst als Prototypen existierenden Fahrzeuge, die für den Verkehr durch die Schweiz vorgesehen sind, und der Nachweis einer nachhaltigen Markt-Akzeptanz des geplanten Angebots, hält das BAV fest. Mit den Franzosen träte ein weiterer Konkurrent für die schweizerische Hupac auf den Plan, die heute das Gros der jährlich rund 700 000 Sendungen des unbegleiteten kombinierten Verkehrs durch die Schweizer Alpen schleust.

Gelänge es Lohr und der SNCF, die bereits solche Verkehre mit ähnlichen Wagen in Frankreich abwickeln, 100 000 zusätzliche Sendungen auf die Schiene zu holen, liesse sich das in den Berechnungen für die – bis 2018 bewilligten und schrittweise sinkenden – Betriebsbeiträge vorgesehene Plansoll erreichen. 2011 wurden 100 000 Sendungen weniger als budgetiert transportiert, wodurch die pro Sendung gewährten Beiträge um 15 Franken (im Schnitt um 8 Prozent) höher ausfielen als geplant. Indessen wäre zu überlegen, allfällige «überschüssige» Subventionsmittel künftig in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren.

 

Bericht aus der NZZ vom 24.05.12

http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/alternative-idee-fuer-den-gotthard_1.17032076.html

USA: Eigene Strecken, lange Züge, grosse Innovation

Hier ein Bericht von Urs Brotschi. Urs ist Studiengangleiter “Verkehrssysteme” an der ZHAW in Winterthur. Wir haben schon einige interessante Gespräche zusammen geführt. Hier etwas zum Thema Traktion in den USA.

Nordamerikanische Güterbahnen produzieren nicht nur günstig, weil sie sich ihre Trassen nicht mit Personenzügen teilen. Und obwohl sie mit Dieseltraktion unterwegs sind, ist die Umwelt kein Nonvaleur; die Auflagen dafür werden weiter verschärft.

Nordamerikanische Güterbahnen produzieren zu äusserst tiefen Kosten. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts von 2007 betragen die Kosten für einen Tonnenkilometer € 0.01. Durch einen Lastwagen erbracht, schlägt dort die gleiche Leistung mit € 0.20 zu Buche. Diese Kostendifferenz wie auch die grossen Distanzen dürften Gründe für den hohen Bahnanteil am Warentransport von 45 Prozent sein. Lastwagen bewältigen bloss 30 Prozent des Güterverkehrs. In Europa ist die Kostendifferenz zwischen Schiene und Strasse geringer. Für einen Tonnenkilometer sind bei der Bahn € 0.11 zu berappen und beim Lastwagen € 0.14. Der Bahnanteil in der EU beträgt bescheidene 10,7 Prozent; auf der Strasse wird mit 45,6 Prozent das Vierfache dieser Leistung erbracht.

Länger, schwerer, langsamer
In Europa sind Reise- und Güterzüge in der Regel auf denselben Gleisen unterwegs. Schnelle Reisezüge geben den Takt an. In den zur Verfügung stehenden Lücken müssen Güterzüge je nach Rollmaterial mit Geschwindigkeiten von bis zu 120 km/h verkehren. In den Vereinigten Staaten sind, mit Ausnahme des Nordost-Korridors von Boston nach Washington D. C. oder von Vororten von Grossstädten, ausschliesslich Güterzüge unterwegs, die im Durchschnitt fünfmal so lang (3 Kilometer) und zehnmal so schwer (3000 Tonnen) als in Europa sind. Zur kostengünstigen Produktion tragen auch Standard-Diesellokomotiven bei.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen, verkehren Güterzüge in Nordamerika mit Dieseltraktion. Heute werden sechsachsige Lokomotiven mit einer Leistung von 3250 Kilowatt eingesetzt, die von den Herstellern GE und EMD in grossen Stückzahlen produziert werden. Mit ihrem Gewicht von bis zu 190 Tonnen ermöglichen sie eine Anfahr-Zugkraft von bis zu 700 Kilo-Newton. Im Normalfall werden einem Güterzug mehrere Lokomotiven vorgespannt. Anfang 2010 wurde von Union Pacific versuchsweise ein 5,5 Kilometer langer intermodaler Zug von Texas nach Long Beach (Kalifornien) geführt. 7 Diesellokomotiven, verteilt über die Zugslänge, beförderten 1000 Standard-Container auf 200 Güterwagen. Die Komposition hatte ein Gewicht von rund 16 000 Tonnen. In der Schweiz müssten für die gleiche Anzahl Container mehr als 13 Züge eingesetzt werden.

Vierachsige europäische Elektrolokomotiven haben in der Regel eine Leistung von 5,6 bis 6,4 Megawatt mit einer Anfahr-Zugkraft von 300 Kilo-Newton bei einem Gewicht von 84 bis 88 Tonnen. Moderne Umrichterlokomotiven können die volle Anfahr-Zugkraft bis in einen Geschwindigkeitsbereich von 60 bis 80 km/h nutzen. Diese Leistungen sind nötig, um Güterzüge mit bis zu 75 km/h durch die Alpen zu befördern. Für einen Containerzug von 1600 Tonnen werden auf Steigungen von 26 Promille am Gotthard 3 Lokomotiven benötigt. Bei ähnlichen Steigungen verkehren Güterzüge in Kalifornien (Cajon-Pass, Tehachapi-Pass) mit bloss 25 bis 30 km/h.

In den kommenden Jahren werden die Umweltauflagen weiter verschärft. In den USA ist derzeit die Phase 3 der Emissionsgrenzwerte für Verbrennungsmotoren in Kraft, ab 2015 soll Phase 4 gelten. In Europa gelten ähnliche Werte (Stage III A bzw. III B). Um die Vorgaben einhalten zu können, steigern die Hersteller die Effizienz der Motoren, und sie optimieren den Verbrennungsprozess. In Phase 4 sollen die Abgase vom Feinstaub befreit werden. Um den Stickoxidanteil massiv zu reduzieren, wird Harnstoff als Katalysator in den Abgasstrom eingespritzt.

Neue Motoren in alten Loks
Auch auf nordamerikanischen Rangierfeldern findet eine interessante Entwicklungen statt. Für eine Leistung von bis zu 1500 Kilowatt werden von Nischenanbietern wie Railpower Technologies Corporation oder National Railway Equipment Co. bis zu 50 Jahre alte vierachsige Diesellokomotiven umgebaut. Auf dem Rahmen werden neue Führerkabinen und bis zu drei neue Standardmotoren von 500 Kilowatt mit elektronischer Steuerung installiert. Je nach Last wird der zweite oder gar der dritte Motor im Betrieb zugeschaltet. Dadurch kann ein effizienter und umweltschonender Betrieb realisiert werden.

Und wo steht die Eisenbahn diesbezüglich in der Schweiz? Hier wird das Streckennetz fast ausschliesslich elektrisch betrieben, und es wird in der Regel nach perfekten und weniger nach einfachen Lösungen gestrebt. Vor 10 Jahren wurde eine grössere Zahl von hydraulischen Diesellokomotiven (Am 843) für die letzte Meile des Güterverkehrs beschafft; in den nächsten Monaten werden sie mit modernen Zweikraft-Maschinen (Eem 923) ergänzt. Sie verkehren unter Fahrdraht elektrisch und in den Anschlussgleisen thermisch.

Urs Brotschi leitet an der ZHAW School of Engineering den Studiengang Verkehrssysteme.

Gotthard: Tag der offenen Baustelle auf den IP Rynächt 30.06.2012

Am 30.06.2012 kann der Installationsplatz Rynächt besichtigt werden. Es wartet ein spannender Rundgang und viele interessante Informationen auf die Besucher. Ich werde ab ca. 10 Uhr ebenfalls vor Ort sein. Gerne möchte ich DICH auch einladen mich und die Baustelle zu besuchen.
Vielleicht trifft man sich ja…

Bis dann
Gruss Chris

Link zu AlpTransit Gotthard:
Tag der offenen Baustelle

Gotthard-Basistunnel: Begeisternde Bahntechnik

 2012

Ich arbeite seit 2007 am Grossprojekt „Bahntechnik Gotthard-Basistunnel“ mit und führe Tests im Gotthard-Labor (GLAB) in Zürich durch, damit die Anlagen vor Ort im Tunnel sicher und schnell in Betrieb genommen werden können. Auftraggeberin dieses Jahrhundertprojektes ist die AlpTransit Gotthard. Ich arbeite bei Thales, das zum Auftragnehmer-Konsortium Transtec Gotthard gehört und gebe einen Einblick in die Test-Tätigkeiten.

Damit der Betrieb Ende 2016 mit der erforderlichen Funktionalität aufgenommen werden kann, werden die einzelnen Systemkomponenten im Rahmen von Testkampagnen ausführlich auf Erfüllung der Anforderungen und Kompatibilität innerhalb des Gesamtsystems getestet.

Diese Tests werden stufen- wie auch phasengerecht durchgeführt. Anhand der Tests sollen eventuelle Fehler frühzeitig entdeckt werden, um die notwendigen Korrekturen vorzunehmen und den Anforderungen an höchste Sicherheit und Qualität gerecht zu werden. Zu diesem Zweck wurde im GLAB die Innenanlage der Sicherungsanlagen bestehend aus vier elektronischen Stellwerken ELEKTRA, dem ETCS Radio Block Center (RBC), der Bahnleittechnik und dem SA-Datennetz aufgebaut.

Mithilfe einer Simulationsumgebung werden die Elemente der Aussenanlage sowie der nicht im GLAB aufgebauten Nachbarsysteme zur Verfügung gestellt. Diese simuliert beispielsweise die Züge, die Weichen, die Achszähler und viele weitere Elemente. Speziell hervorzuheben sind Leistungsmerkmale, welche die Simulation von bis zu 90 Zügen bzw. ETCS On Board Units (OBU) ermöglicht. Mit der Test- und Simulationsumgebung können vorgängig definierte Testfälle automatisiert und wiederholt durchgeführt werden.

Durch eine stufenweise Releaseplanung können die zugehörigen Testfälle frühzeitig geplant und die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden. Die einzelnen Bestandteile der Software- und Projektierungsreleases werden bereits durch die Lieferanten in deren Werk getestet. Diese Bestandteile werden darauffolgend ins GLAB geliefert und in das entsprechende Teilsystem integriert. Nach dieser Eingangskontrolle werden die Releases der eigentlichen Testkampagne unterzogen. Die Sicherheit und Funktion des Gesamtsystems wird geprüft und dokumentiert.

Wird der Gesamtsystemtest positiv abgeschlossen, erfolgt die Freigabe der Software-/ Projektierungsreleases zur Lieferung auf die Anlage vor Ort.

Im Tunnel wird die Inbetriebnahme des Tunnelabschnitts Faido-Bodio in der Weströhre frühzeitig durchgeführt, die Testkampagne erfolgt und noch während der Ausrüstungsphase des restlichen Projektperimeters. Mit diesem Vorgehen werden Erkenntnisse zu den Testabläufen und der Funktionstüchtigkeit der eingebauten Komponenten gewonnen, um hinsichtlich der weiteren Inbetriebnahmen im gesamten Projektperimeter sinnvolle Optimierungen vorzunehmen zu können.

Die Systeme des Tunnelabschnitts Faido-Bodio entsprechen dem Endausbau und weisen diejenige Funktionalität auf, welche für die Tests dieses Abschnitts benötigt werden. Das Testteam führt die Tests im Feld durch und protokolliert die Resultate. Im Unterschied zum GLAB werden hier die realen Aussenanlagen und Nachbarsysteme getestet. Da viele Tests schon im GLAB durchgeführt wurden, sollten die Ergebnisse denjenigen des Labors entsprechen. Bei abweichenden Testresultaten werden die Testschritte und die resultierenden Systemreaktionen analysiert und die Ursachen dafür ermittelt und wenn notwendig korrigiert. Mit diesem Vorgehen kann die Anlage der Auftraggeberin termingerecht übergeben werden.

Mit realen Zugfahrten wird nicht nur die Bahntechnik getestet, sondern auch Systeme von weiteren Lieferanten. Diese Testfahrten erfolgen mit steigender Zugsgeschwindigkeit, bis die für diese Testphase vorgesehene Maximalgeschwindigkeit von 230 km/h erreicht ist.

Die Schienen im Gotthard-Basistunnel sind noch nicht fertig verlegt, bei Thales im GLAB fahren die Züge schon mit Höchstgeschwindigkeit durch den Gotthard-Basistunnel.

Chris 12/2011

Gotthard Basistunnel – Ein Jahrhundertwerk 2010

Ich arbeitete am Grossprojekt „LötschbergBasis Tunnel“ bei der Inbetriebnahme und den Testfahrten mit. Im folgenden Bericht blicke ich auf das zukünftige Projekt Gotthard Basistunnel.

Nach den Hochgeschwindigkeitsstrecken „Mattstetten-Rothrist“ (SBB),  sowie „Lötschberg Basistunnel“ (BLS) ist Thales mit der Planung und  Realisierung der Sicherungsanlagen für die Hochgeschwindigkeitsstrecke  „Gotthard Basistunnel“ beauftragt. Dieses grosse Projekt wird vom  Generalunternehmer für Sicherungsanlagen kompetent und mit grossem  Einsatz abgewickelt.

Die Realisierungsphase beinhaltet die Gesamtprojektleitung, die  Entwicklung, Projektierung, Integration, Installation, Inbetriebnahme,  Validierung und die Sicherheitsnachweisführung der einzelnen  Teilsysteme und der gesamten Sicherungsanlage.

Der Basistunnel am Gotthard -mit 57km der längste Tunnel der Welt- ist  das Herzstück der NEAT. Er besteht aus zwei einspurigen Tunnelröhren,  welche durch Querschläge miteinander verbunden sind. In den zwei Multifunktionsstellen in den Drittelspunkten des Tunnels sind  Spurwechsel und Nothaltestellen, technische Räume für den Bahnbetrieb  sowie Lüftungsinstallationen untergebracht. Das Volumen des Ausbruches  der Tunnelröhren entspricht etwa dem fünffachen der Cheopspyramide.

Die Realisierung einer Flachahn auf der neuen Gotthardstrecke erlaubt  im Gütervekehr eine wirtschaftlichere Produktion; der Hauptvorteil für  den Personenverkehr liegt in der massiven Verkürzung der Fahrzeiten.  Die Flachbahn ermöglicht die Fahrt mit gegenüber heute längeren  Güterzügen, welche bis doppelt so schwer sein können(4000t statt der  heutigen 2000t). Die schnellsten Güterzüge werden bis 160 km/h fahren  – doppelt so schnell wie heute. Auf den bestehenden Linien im  Alpenraum verunmöglichen die Steigungen und engen Kurvenradien den  Einsatz solcher Züge. Nach dem Bau der Flachbahn werden für die  gleiche Transportmenge weniger Lokomotiven, Personal und Energie  benötigt.

Die Realisierung der Sicherungsanlagen wurde Ende 2009 beauftragt.  Dieser Auftrag umfasst die vier Leistungspakete „Stellwerk“, „ETCS“,  „Bahnleittechnik“ und „Integration Sicherungsanlagen“. Das Stellwerk  steuert und überwacht die Weichen; ETCS übermittelt per Funk die  Fahrerlaubnis auf den Monitor des Führerstandes; Bahnleittechnik nimmt den Fahrdienstleiter viele manuelle Tätigkeiten ab und automatisiert  diese. In der Integration werden wie beim Lötschberg Basistunnel die Systeme integriert und von uns Testingenieuren getestet. Um die  Sicherungsanlage betriebsbereit zu machen wurde ein stufenweises Vorgehen gewählt. Die einzelnen Produkte werden einem Produkttest beim  Hersteller unterzogen, dann werden die Produkte im Gotthardlabor  Zürich zur Gesamtanlage integriert und werkgetestet. Ein erster  Feldtest findet auf der Tunnelstrecke Bodio-Faido West anfangs 2013  statt. Weitere Funktionalitäten werden entwickelt, zuerst im Labor und  dann im Feldtest verifiziert, sodass dem Fahrplanbetrieb ab Ende 2017  nicht im Wege steht.

Chris, 12/2009